Wird der frisch gekürte spanische Fussball-Europameister dank Generationen-Management auch den WM-Titel holen?
Roger Lütolf
Fussball und Employer Branding haben auf den ersten Blick vielleicht nicht viel gemeinsam. Doch Fussball zeigt uns auf eindrückliche Weise, wie wichtig Teamdynamik und die richtige Mischung von Talenten und Erfahrung sind. Unternehmen können daraus wertvolle Lektionen in Sachen Employer Branding, Generationen-Management und Teambuilding lernen. Werfen wir einen Blick auf den frisch gekürten Europameister Spanien und was wir daraus mitnehmen können. Olé!
Zuerst ein paar Fakten. Die spanische Nationalmannschaft stellt mit Lamine Yamal den jüngsten EM-Spieler und -Torschützen der Turniergeschichte. Gerade erst 17 Jahre jung wurde der Ausnahmekönner als das Turnier zu Ende ging. Drei seiner Teamkollegen könnten theoretisch sein Vater sein, der 34 ist. Der älteste Mitspieler, Jesus Navas, ist 38 und spielte dreimal an der EURO 2024. Das Durchschnittsalter des Teams liegt bei 27,1 Jahren.
Wie in einem Unternehmen ist in jedem Fussballteam die gute Altersvielfalt entscheidend. Was wäre passiert, wenn die älteren Spieler Yamal gemobbt hätten oder der Trainer ihm gesagt hätte, er solle erst einmal erwachsen werden und Erfahrung sammeln, bevor er Stammspieler wird? Ja, wie wäre es dann herausgekommen?
Die spanische Mannschaft hat sich vom Senioritätsprinzip verabschiedet, d.h. je länger ich dabei bin, desto mehr Lohn und Verantwortung (Captain) habe ich. Der spanische Captain ist 31 Jahre und fast doppelt so alt wie Yamal, aber das Team hat die Altersvielfalt als Chance genutzt. Sie haben das generationen-spezifische Angebot genutzt und die Seniorität mit Erfahrung, Ruhe und Kommunikationsfähigkeit perfekt mit den Jungen kombiniert, die unbekümmert, lernfähig und fordernd sind. Zusammen haben sie das bestmögliche Team hervorgebracht.
Das Geheimnis liegt in der Führung. Gute Führung kommuniziert klar und berücksichtigt die verschiedenen Karrierestufen der Spieler/Mitarbeitenden. Generell gilt es die Employee Journey zu berücksichtigen. In einem Team, sei es im Fussball oder in einem Unternehmen, stehen einige am Anfang ihrer Karriere, andere bereits im Herbst. Die Motivation und Vision sollten gleich sein, aber die persönlichen Ziele variieren. Eine einheitliche Führung für alle funktioniert nicht, auch wenn es schön wäre.
Die Führung muss stark auf Wertschätzung setzen und ihr muss es bewusst sein, dass beispielsweise ältere Mitarbeitende eher Bedenken haben, ihren Platz im Team für immer zu verlieren (Kündigung) als eine junge Person. Die Führung gibt Orientierung und die Vision und sie reduziert strukturelle Anliegen auf das Minimum. Wenn es dem Trainer gelingt, die Altersvielfalt resp. die unterschiedlichen Generationen im Team bestmöglich zu verbinden, dann ist bereits sehr viel gewonnen. Das tönt einfach, ist aber die Königsdisziplin.
Es gibt Spieler wie Ronaldo, die nach dem Senioritätsprinzip funktionieren. Er ist ein Jahrhundert-Ausnahmekönner, doch er kann auch die Entwicklung junger Spieler blockieren. Seine positive Einstellung und Wille sind einzigartig, aber sein tatsächliches Verhalten (Spiel auf dem Platz) ist da nicht mehr ganz kongruent. Nochmals: Ronaldo ist ein Jahrhundert-Spieler, aber auch eine Gefahr für den Trainer/Team. Hier sind das Coaching und der Rückhalt des Verbandes (VR) entscheidend. Wenn es dem Verband/Unternehmen nicht gelingt, solche Alphatiere zu integrieren, kann der Schaden grösser sein als der Nutzen. Dies erfordert Mut und unpopuläre Entscheide. Kurzfristig muss man Rückschläge aushalten können, um langfristig erfolgreich zu sein.
Neben Erfahrung, Altersvielfalt, Wertschätzung und dem generationen-spezifischem Angebot gibt es noch einen weiteren entscheidenden Faktor: den Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Im Fussball ist es offensichtlich: Verletzte Spieler können nicht spielen. Wenn zu viele verletzt sind, muss man die Belastung und Trainingsmethoden hinterfragen. Wie sieht es in Unternehmen aus? Erhält die Gesundheitsförderung sowie die entwicklungsförderlichen Arbeitsbedingungen dort denselben Stellenwert wie im Sport? Es ist entscheidend, in die Gesundheit der Mitarbeitenden zu investieren, und das gilt für alle Generationen.
Die Altersvielfalt ist entscheidend für den Erfolg, entsprechend muss auch in ältere Generationen richtig investiert werden. Die Art und Weise ist unterschiedlich. Das SOC-Modell (Selektion – Optimierung – Kompensation) ist besonders bei älteren Mitarbeitenden hilfreich. Ein 60-Jähriger wird nie dieselbe Affinität zu neuen Technologien haben wie ein 25-Jähriger. Ein 33-jähriger Flügelläufer wird nicht mehr in derselben Intensität spielen können. Hier gilt es, die Menschen richtig einzusetzen, um das Optimum herauszuholen. Nehmen wir hier als Beispiel den Schweizer Fussballer Xherdan Shaqiri. An der EM 2024 schoss er ein Traumtor mit seinem Zauberfuss und wenn sein direkter Eckball in der drittletzten Minute im Viertelfinal nicht ans Lattenkreuz, sondern ins Lattenkreuz gegangen wäre, ja dann…. Der Trainer handelte nach dem SOC-Modell: Selektion (nicht über die ganze 90 Minuten), Optimierung (die Aufgaben übergeben, welche er hervorragend kann) und Selektion (dann einsetzen, wenn es solche Unterschiedsspieler braucht). Dass ein Shaqiri diese Rolle akzeptiert, hat mit Wertschätzung und Coaching zu tun. Nur wenn die Kultur es zulässt, ist der Erfolg möglich.
Zum Abschluss noch den Begriff: Altersstrukturanalyse. Wenn alle Spieler/Mitarbeitenden derselben Generation angehören, ist das ein grosses Risiko für den erfolgreichen Fortbestand des Teams, obwohl es kurzfristig sehr angenehm sein kann. Es besteht die Gefahr, dass alle «gleichzeitig» transferiert werden oder den Rücktritt (Pensionierung) geben. Aus diesem Grund nochmals: Nur die Altersvielfalt mit der richtigen Führung bringt den Erfolg. Schaut man sich die spanische Nationalmannschaft an, könnte es für andere Fussball-Nationen in Zukunft schwierig werden. Spanien versteht und handelt nach dem Generationen-Management. Der Erfolg wird sie weiter beflügeln, in dieses Konzept zu investieren und den WM-Titel ins Visier zu nehmen. Mucha suerte!